Der Ursprung der Wörter – Vom griechischen Pòlemos über das lateinische Bellum zum germanischen Werra (guerra)

Der Ursprung der Wörter – Vom griechischen Pòlemos über das lateinische Bellum zum germanischen Werra (guerra)

Waltraud Hofer, Sant Just Desvern, Barcelona. Konferenzdolmetscherin, Übersetzerin, Mitglied im internationalen Dolmetscherverband AIIC

In einem am 12. April 2022 in der italienischen Tageszeitung Il Corriere della Sera veröffentlichten Artikel stellt Nicoletta Cusano Überlegungen zum italienischen Begriff guerra (im Deutschen Krieg) an, der nicht wie viele andere Wörter aus dem Lateinischen oder Griechischen stammt, sondern auf das Germanische Werra zurückgeht. Im Altgriechischen heißt Krieg Pòlemos.

Ausgiebig damit befasst hat sich der Philosoph Heraklit. Für Heraklit entsteht durch Widerspruch die höchste Einheit. Pòlemos ist laut Heraklit eine verborgene Einheit, die Einheit der Gegensätze, denn erst durch den Streit der Gegensätze entsteht Einheit.

Bei den Römern dann erfolgte der Übergang von Pòlemos zu Bellum. Bellum geht auf die Göttin Bellona zurück, die Göttin der Geburt, des Lebens und des Todes. Sobald sich die Römer den Germanen nähern, tritt langsam die zerstörerische Seite der Göttin Bellona zum Vorschein. Die griechische Bedeutung von Pòlemos als Einheit der Gegensätze, in der ein Erkennen im Anderen und eine Identifizierung mit dem Anderen möglich ist, tritt in den Hintergrund. Allmählich setzt sich der Begriff guerra durch (im Italienischen Krieg), der vom Germanischen Werra stammt. Auch der englische Begriff war geht darauf zurück. Der Konflikt geht einher mit der Zerstörung des Anderen. Auseinandersetzung bedeutet nicht mehr das Erkennen seiner selbst im und mit dem Anderen.

Das Griechische Pòlemos ist heute noch im Begriff Polemik enthalten. Polemik zielt nicht auf die Zerstörung des Anderen ab, sondern auf dessen Anerkennung. Laut Heraklit geht die Erkenntnis, dass Pòlemos eine verborgene Einheit darstellt, mit dem Erkennen seiner selbst im Anderen einher, um die barbarische und zerstörerische Bedeutung des mit Waffen und Worten geführten Krieges hinter sich zurückzulassen.

Es war ürbigens Heraklit, der gesagt hat, dass wir nicht zweimal in denselben Fluss steigen können.